Nelinha, 9 Jahre aus Mosambik

 

”Ich mag alles, was in den Büchern steht”, sagt Nelinha Denis. Bisher kennt sie das allerdings nur aus den Erzählungen der Lehrerin, weil es mit dem Lesen bei der Neunjährigen noch etwas hapert. Kein Wunder, denn zu Hause spricht sie Nhungue, eine der Landessprachen in Mosambik, die Bücher sind aber alle auf Portugiesisch.

Außerdem erledigt Nelinha neben der Schule fast einen Vollzeitjob als Hausfrau und Bäuerin. Ihre 65-jährige Großmutter Julia Joao hat nicht mehr genug Kraft, um allein auf dem familieneigenen Feld, der Machamba, zu arbeiten. Immer mehr muss Nelinha übernehmen, neben den traditionellen Aufgaben der Mädchen wie Wasser und Holz holen und Wäsche waschen. Da bleibt ihr nur selten Zeit, um Bata zu spielen, ein Hüpfspiel mit in den Sand gezeichneten Kästchen und einem Stein.

Nelinhas Vater ist schon vor fünf Jahren gestorben. Damals brachten Nachbarn das Mädchen und ihren Bruder zur Großmutter nach Cachembe, etwa eine Autostunde von der Provinzhauptstadt Tete entfernt. ”Ich weiß nicht, wo meine Tochter ist, ob sie noch lebt oder nicht”, sagt Julia Joao resigniert, während Nelinha stumm zur Erde blickt.

Vor kurzem machte die Gemeinde Sozialarbeiter der Organisation HelpAge auf die Familie aufmerksam. Gefördert von UNICEF konnte HelpAge Nelinhas Großmutter dabei helfen, von der Einschreibgebühr für die Schule von gut einem Euro pro Kind befreit zu werden. Dazu müssen die Familien eine Armutsbescheinigung beantragen; ein bürokratischer Vorgang, den die meisten Großeltern schon deshalb nicht bewältigen können, weil sie kein Portugiesisch sprechen. Außerdem bekam Nelinha Hefte und Bleistifte gestellt. In den vergangenen zwei Jahren hat HelpAge – unterstützt von UNICEF – im Bezirk Changara, zu dem auch Cachembe gehört, bereits 50 Freiwillige fortgebildet, damit sie Familien in Not identifizieren und die Gemeinden dabei unterstützen können, mit der wachsenden Zahl von elternlosen Haushalten fertig zu werden.

Denn Nelinha ist nur eine von 409 Waisen in der 3.000-Seelen-Gemeinde Cachembe, die bei den Großeltern leben. Viele der Kinder haben ihre Mutter oder beide Eltern durch Aids verloren. Die Provinz Tete, im Korridor zwischen Simbabwe, Sambia und Malawi, liegt mit einer HIV-Ansteckungsrate von 17 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt von 13 Prozent. Vor diesem Hintergrund trifft die seit zwei Jahren herrschende Trockenheit die Menschen besonders hart.

Die Bewohner in Cachembe kommen ins Grübeln, wenn sie nach dem letzten Regen gefragt werden und einigen sich dann auf März. Das war aber für die letzte Ernte im April/Mai zu spät. Unter den Bedingungen der Dürre ist es schon für Familien mit einer gesunden Elterngeneration schwierig, den Feldern genug abzuringen. Für Haushalte, in denen Kinder mit ihren Großeltern oder ganz ohne Erwachsene leben, hat sich die Situation in den vergangenen beiden Jahren dramatisch verschlimmert. In Cachembe sind mehr als die Hälfte der Haushalte auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Insgesamt benötigen in Mosambik rund 650.000 Menschen die regelmäßigen Hilfslieferungen.

Die Dürre und die Aids-Epidemie treffen ein Land, in dem 70 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 40 US-Cent am Tag leben. Mehr als 40 Prozent der mosambikanischen Kinder unter fünf Jahren sind chronisch mangelernährt. Schätzungsweise 300.000 Kinder haben bereits einen oder beide Elternteile durch HIV/Aids verloren. Viele dieser Waisen können nicht zur Schule gehen, weil sie auf den Feldern arbeiten müssen oder weil niemand da ist, der sich um den Schulbesuch kümmert.
Seit Beginn ihres Engagements im Bezirk Changara vor zwei Jahren konnte die Organisation HelpAge – gefördert von UNICEF – schon 982 Waisen wieder in die Schule integrieren.

Nur 60 Prozent der schulpflichtigen Kinder in Mosambik werden überhaupt eingeschult und nur ein Teil von ihnen schafft den ersten Grundschulabschluss nach der fünften Klasse. Nelinha könnte das gelingen, wenn sie weiterhin genug Unterstützung bekommt. Dann kann sie als nächstes Lesen lernen und vielleicht eines Tages ihren Traum verwirklichen und selbst Lehrerin werden. “Dann verdiene ich genug Geld, um es meiner Großmutter zu geben”, sagt sie. Und nach kurzem Nachdenken: “Vielleicht habe ich ja trotzdem genug Zeit und kann sogar noch Bata spielen.”

So hilft UNICEF in Mosambik

UNICEF sorgt dafür, dass die Waisen in Mosambik weiter zur Schule gehen können. In den von Aids und Dürre heimgesuchten Gebieten organisiert UNICEF zudem

- eine systematische Überprüfung des Ernährungszustandes und Verteilung von angereicherter Zusatznahrung,
  um lebensbedrohliche akute Mangelernährung zu vermeiden;

- Brunnenbau und -sanierung, um den Zugang zu sicherem Trinkwasser zu verbessern. So wird die Gefahr von
  Durchfallerkrankungen verringert und insbesondere Mädchen verlieren weniger Zeit beim Wasser holen;

- Impfkampagnen und die Ausgabe von Vitamin A, um Epidemien wie Masern zu verhindern und die geschwächten Kinder vor
  anderen Krankheiten zu schützen;

- die Betreuung von HIV-Infizierten und Aidskranken und deren Familien sowie breit angelegte Aids-Aufklärungskampagnen.

So können Sie helfen:

Für 16 Euro kann UNICEF ein Kind ein Jahr lang mit Schulmaterial versorgen.

Für 50 Euro kann UNICEF ein Fahrrad anschaffen, mit dem die freiwilligen Gemeindehelfer auch abgelegene Gegenden erreichen können, um die Waisen zu identifizieren und Unterstützung zu organisieren.